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Motorrad-Magie·12.4.2022

DKW NZ 350

Stolzer Oldtimer-Besitzer mit nicht mal 18 Jahren

Wie stellt man sich einen „alten Hasen“ unter den Oldtimerfahrern vor? Ergrautes Haar, wahrscheinlich schon Rentner mit ausreichend Kleingeld für altes Blech. In unserem Fall völlig falsch. Yannick Otten aus Nettetal am Niederrhein ist erst im Juni 1993 geboren, kann aber durchaus mit manchem alten Hasen der Oldtimerei mithalten. Dank eines passenden familiären Umfeldes hat er die Begeisterung für klassische Zweiräder quasi schon mit der Muttermilch aufgesogen. Als er als Teenager endlich selbst motorisierte Zweiräder fahren durfte, waren das nicht etwa moderne Mofas sondern eine NSU Quick, Baujahr 1949, und die NSU Quickly, Baujahr 1958.

Und er fieberte dem Tag entgegen, an dem er endlich 18 werden sollte. Führerschein Klasse A und damit mehr Hubraum. Aus gutem Grund, es wartete schon eine DKW NZ 350 auf den jungen Mann – nicht etwa fix und fertig dank reicher Eltern, vielmehr selbst mit väterlicher Hilfe von Grund auf renoviert. Das Motorrad war damals mit Baujahr 1939 viermal so alt wir ihr Besitzer.

„Der Weihnachtsmann hat mir soeben Folgendes gebracht“, postete Yannick Otten Weihnachten 2011 im Forum des Veteranen-Fahrzeug-Verbandes (VFV), einem Korporativclub des ADAC. Auf dem danebenstehenden Foto ist eine alte, leicht speckige „Betriebsanleitung für DKW-Motorräder – Modelle NZ 250 und NZ 350“ zu sehen. Damit kann man heutzutage sicher kaum einen Heranwachsenden begeistern. Yannick Otten schon! Warum, dass belegen weitere angehängte Bilder: In seinem ganzen Zimmer verteilt warteten Teile der DKW auf ihren Zusammenbau. Ganz klar, der Junge hat Benzin im Blut.

Für den damals 17-Jährigen gab es nur ein Ziel. Bis Pfingsten musste seine NZ 350 fertig sein. Da treffen sich traditionell Oldtimerfreunde aus verschiedenen Ländern zur Ibbenbürener Motorrad-Veteranen-Rallye – der größten Veranstaltung ihrer Art in Europa, ausgerichtet vom Automobilclub Ibbenbüren e.V., einem Korporativclub des ADAC. Pfingsten war in dem Jahr erst im Juni. Nur so konnte Yannick dort mit einem großen Motorrad starten, denn er feierte ganze drei Tage vor der ersten Ausfahrt seinen 18. Geburtstag. Optimistisch hatte er sich aber schon im Januar mit der NZ 350 angemeldet. Die DKW wurde natürlich erst auf den letzten Drücker fertig und so musste Vater Norbert Otten für seinen noch minderjährigen Sohn die ersten Erprobungsfahrten machen.

Anfang des Jahres erst hatte Yannick Otten die DKW bekommen. Ein Freund seines Vaters hatte das Motorrad erworben, doch irgendwann war die Lust an der Oldtimerei vorbei. Teilzerlegt fristete die DKW ihr Dasein und wartete auf einen neuen Frühling. „Der Motor war schon gemacht und einige Teile verchromt“, erzählt Otten. „Der Rest war zwar schon sandgestrahlt, lag aber zehn Jahre lang im Keller.“

Zehn Jahre sind eine lange Zeit für unbehandelte Metallteile, und so stand für die meisten Komponenten eine erneute Oberflächenbehandlung an. Erst dann konnten die Lackierung und das Auftragen der Lineaturen in Angriff genommen werden. Hundertprozentig fertig war die NZ 350 bei ihrem Debüt nach der Restaurierung noch nicht. Das vordere Schutzblech fehlte. „Es war noch beim Lackierer, also habe ich ein altes rausgekramt und mit der Dose lackiert, damit ich nicht ohne Schutzblech fahren musste“, schmunzelt der Nettetaler heute über den Wettlauf mit der Zeit.

Der Auspuff war die größte Schwierigkeit bei der Restaurierung. Die Halterung war verrostet und musste komplett neu gebaut werden. Auch der Schalldämpfer selbst war recht marode. Yannick Otten zerlegte ihn und er wurde teilweise neu geschweißt.

Ganz ungetrübt verlief die Jungfernfahrt trotz der 100-Kilometer-Probefahrt nicht. Eine rutschende Kupplung machte Yannick Otten zu schaffen und er musste einen ganzen Tag lang ohne den vierten Gang fahren. Im Ziel angekommen ist er trotzdem. Gregor Mausolf

Infos:

Die DKW NZ 350 hat – wie die Typenbezeichnung schon sagt – einen Hubraum von 350 ccm. Der Zweitaktmotor leistet 11,5 PS bei 4000 Umdrehungen pro Minute. Damit wird eine Höchstgeschwindigkeit von 105 km/h erreicht. Das Fahrzeug hat ein Viergang-Getriebe mit Fuß- und Handschaltung. Von der DKW NZ 350 wurden von 1938 bis 1943 inklusiv Wehrmachtsmodell rund 45.300 Fahrzeuge produziert.

Text & Bildquelle: Gregor Mausolf