Motocross ist ein faszinierender, aber ebenso harter Sport. Während einige Talente von Teams und Sponsoren früh gefördert wurden und der Weg in den Profibereich mit Unterstützung möglich war, gibt es eine andere Gruppe von Fahrern, die nie den Plan hatten, Motocross-Profi zu werden, sich aber bis an die nationale Spitze gearbeitet haben. Die „Working Class Heroes“ Mark Scheu, Lukas Platt und Tim Koch stehen exemplarisch für einen Karriereweg mit viel Leidenschaft und großen Herausforderungen.
Der steinige Weg zum Profi
Mark Scheu, gelernter Zimmermann, arbeitete viele Jahre auf dem Bau, während er parallel Motocross fuhr. Es war nie sein Traum oder Ziel, Motocross-Profi zu werden, da er es schlichtweg für unrealistisch und sich nicht für gut genug hielt. Der 26-jährige wagte in dieser Saison den Schritt zum Vollprofi und plante neben dem ADAC MX Masters auch die komplette MXGP-Weltmeisterschaft, inklusive der Übersee-Rennen, zu bestreiten. 2024 war ein Zwischenjahr, wo er in Teilzeit drei Tage in der Woche gearbeitet hat und die restliche Zeit in seine Motocross-Karriere investiert hat. „Ich bin einfach ein Arbeiter. Morgens früh aufstehen, Sport machen, dann zur Arbeit und abends wieder Sport – das war meine Routine.“ Seine Disziplin zahlte sich aus, doch der Weg war alles andere als einfach.
Lukas Platt, gelernter Tischler, konnte in der Vergangenheit seinen Beruf dank eines verständnisvollen Chefs so anpassen, dass er während der Rennsaison weniger arbeiten musste. „Im Winter vier Tage arbeiten, im Sommer dreieinhalb Tage – das hat mir erlaubt, mehr zu trainieren und Rennen zu fahren.“ Doch dieser Luxus ist nicht selbstverständlich, denn nicht jeder Arbeitgeber unterstützt solch einen ungewöhnlichen Karriereweg. 2022 wagte er dann den Schritt zum Vollprofi und bestreitet nun bereits seine vierte Saison mit dem vollen Fokus aufs Motorradfahren. „Anfangs habe ich gedacht, das machst du jetzt ein Jahr und dann gehst du wieder arbeiten. Unglaublich, dass es jetzt schon so lange gut läuft und immer noch besser wird“, lacht der 28-Jährige.
Tim Koch ist nie Vollprofi gewesen, sondern hat immer gearbeitet oder sich in der Ausbildung befunden. „Richtig Profi war ich nie, ich habe mich mal während meines Studiums im Sommer ziemlich auf den Sport konzentriert, aber für mich heißt Profi zu sein, dass man seinen Lebensunterhalt mit dem Sport bestreiten kann und professionelle Strukturen dabeihat, nicht, dass man einfach mal ein paar Monate lang nur Motorrad fährt, weil einem das die Eltern ermöglichen oder man sein Erspartes auf den Kopf haut.“ Inzwischen arbeitet der 32-Jährige im elterlichen Dachdecker-Betrieb. „Man muss seinen Tag extrem gut strukturieren, damit alles funktioniert. Wer nicht bereit ist, früh aufzustehen und lange Tage in Kauf zu nehmen, hat es schwer.“
Finanzierung – Wie sich die drei ihren Sport leisten
Motocross ist ein teurer Sport: Motorräder, Ersatzteile, Reisen und Startgebühren kosten viel Geld. Wer kein Werksfahrer ist, muss sich selbst um die Finanzierung kümmern. „Ich hatte nie einen dicken Sponsorenvertrag. Ohne meine privaten Sponsoren, die ich seit dieser Saison habe, wäre die Saison nicht machbar. Ich investiere mein ganzes Erspartes in meine Saison, aber das mache ich gerne“, sagt Mark Scheu, der für das Sixty Seven Racing Team Husqvarna die Saison begann und inzwischen in das Johannes Bikes Suzuki-Team gewechselt hat. Neu ist für ihn eine Zusammenarbeit mit benzim: „Das ist wie ein Ritterschlag für mich gewesen. Ein großer Energydrink-Kopfsponsor ist für mich wohl außer Reichweite, aber meinen neuen benzim-Helm aufzusetzen, finde ich jedes Mal wieder geil.“
Auch Lukas Platt musste sich sein eigenes Netzwerk aufbauen: „Mein Glück war, dass mich ein Sponsor früh unterstützt hat und mir dabei geholfen hat, auf internationalem Level Rennen zu fahren. Aber ich habe auch immer darauf geachtet, finanziell abgesichert zu sein, mit Versicherungen und Rücklagen. Das habe ich so im Vorfeld gelernt und das war mir für die Profikarriere wichtig. Nicht, dass ich zu meiner Freundin sagen muss: ‚ich fahre jetzt nur Motorrad, aber fürs Essen, die Miete und so bist du verantwortlich.‘ Dank meiner privaten Sponsoren wie Stahlbauhoch3 und Platinum Carwash kann ich meinen Profi-Traum weiterleben.“ Mit einem eigenen Gewerbe als Profisportler hat der Pilot des KTM Sarholz Racing Teams seitdem aber auch noch viel dazu gelernt: „Um Dinge wie Umsatzsteuer-Vorauszahlungen und so weiter musste ich mich vorher nicht kümmern. Aber damit entwickle ich mich ja auch weiter.“
Tim Koch sieht es ähnlich: „Ohne einen starken Rückhalt aus der Familie und Sponsoren würde es nicht gehen. Motocross ist ein guter Sport, um Geld loszuwerden“, lacht er. Über seine Sponsoren, das VisuAlz Production Team und weitere Unterstützer versucht er, dass sich der Sport finanziert. „Und Sponsoren wie Weber-Werke helfen einem schon sehr und machen einem das Leben in vielen Bereichen etwas leichter.“
Die Unterschiede zwischen Profi und Nicht-Profi
Ein großer Unterschied zwischen den Vollprofis der Werksteams und den „Working Class Heroes“ liegt in der Infrastruktur. Ein Topfahrer hat oft ein komplettes Team hinter sich, das sich um alles kümmert – vom Mechaniker bis hin zum Mentalcoach. „Ein richtiger Profi setzt sich aufs Motorrad und fährt. Ich muss mein Motorrad unter der Woche selbst putzen, reparieren und alles weitere organisieren“, sagt Mark Scheu. „Als ich noch gearbeitet habe, war keine Zeit für etwas anderes, keine Freundin, kein Treffen mit den Freunden, es war nur Arbeit und Motocross.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Regeneration. Wer neben dem Sport noch arbeitet, hat oft nicht genug Zeit, um sich ausreichend zu erholen. „Nach einem harten Trainingstag musste ich trotzdem früh raus und arbeiten gehen. Ein Vollprofi kann sich nach dem Training ausruhen, das ist ein großer Vorteil“, sagt Lukas Platt. „Früher hat mein ganzer Tag aus Training, Arbeit, der Motorradvorbereitung und so weiter bestanden. Wenn es nicht gut lief, habe ich oft noch härter trainiert und bin dann oft müde und ausgelaugt zu den Rennen angereist. Das ist nun anders und ich mache oft unter der Woche um 17 Uhr Feierabend mit dem Training und habe auch Zeit für meine Freundin.
Tim Koch, der als Nicht-Profi bereits zwei Mal Deutscher Meister wurde, sieht das etwas anders: „Ich muss natürlich öfter mal sehr früh aufstehen, um vor der Arbeit die erste Laufeinheit zu absolvieren. Nach der Arbeit steht dann noch mal Training oder die Motorradvorbereitung an. Man muss halt sehr gut strukturiert sein und ein gutes Umfeld haben, was man mit einbeziehen kann. Regeneration ist auch Planungssache. Ich versuche, meine Tage so zu strukturieren, dass ich ausreichend Schlaf bekomme und meine Erholung nicht zu kurz kommt. Klar, manchmal lasse ich in Absprache mit meinem Trainer Konrad zu Gunsten der Regeneration auch mal einen Trainingseinheit weg.“
Zuspruch der Fans – Die Helden der normalen Fahrer
Viele Fans schätzen besonders die Authentizität und den bodenständigen Charakter der „Working Class Heroes“. „Ich bekomme oft Nachrichten von Leuten, die sagen, dass sie sich mit mir identifizieren können, weil ich wie sie auch arbeiten muss, um meinen Sport zu finanzieren“, sagt Tim Koch.
Auch Mark Scheu erlebt diesen Zuspruch: „Ich bin kein Superstar, sondern jemand, der sich alles erarbeiten musste. Viele sehen darin eine Inspiration.“
Ziele für die Saison 2025
Alle drei Fahrer haben ambitionierte Ziele für die aktuelle Saison. Mark Scheu möchte sich weiter steigern: "Ich mache mein Ziel nicht an Platzierungen aus, sondern ich will nicht stagnieren, sondern mich Jahr für Jahr verbessern. Solange ich mich weiterentwickle, bin ich zufrieden".
Lukas Platt hat sich neben möglichst vielen einstelligen Laufergebnissen beim ADAC MX Masters vorgenommen, Deutscher Meister zu werden: „Mein Ziel ist der DMX Open-Titel. Ich weiß, dass es hart wird, aber ich werde alles geben.“
„Ich möchte die Saison in den Top Ten des ADAC MX Masters abschließen und konstant gute Ergebnisse einfahren“, sagte Tim Koch vor der Saison, musste jedoch einen schwierigen Saisonstart hinnehmen und hat seine Ziele nun etwas angepasst.
Karriereplanung – Zurück in den Beruf nach der Profikarriere?
Viele Motocross-Fahrer müssen sich irgendwann die Frage stellen, was nach der Karriere kommt. Für die „Working Class Heroes“ ist das oft einfacher, da sie bereits einen Beruf gelernt haben. „Ich weiß, dass ich jederzeit wieder als Zimmermann arbeiten kann, wenn es mit dem Motocross vorbei ist“, sagt Mark Scheu. „Deshalb genieße ich es jetzt so, wie es ist, und lasse die Dinge auf mich zukommen.“
Auch Lukas Platt hat einen Plan: „Ich habe meine Tischlerausbildung und sogar ein Angebot erhalten, eine Firma zu übernehmen. Das habe ich aber abgelehnt, denn momentan bin ich noch sehr gerne Motocross-Profi. Solange ich auf diesem Level Rennen fahren kann, werde ich es tun. Inzwischen kann ich mir aber sogar vorstellen, nicht in meinen alten Beruf zurückzugehen, sondern nach meiner Karriere auch in der Industrie weiterzuarbeiten.“
Tim Koch bleibt im Familienbetrieb: „Ich werde weiterhin in unserem Unternehmen arbeiten und mich dort einbringen. Das macht viel Spaß und dort kann ich viele Dinge mitgestalten und lenken, was ich als Angestellter nur schwierig tun könnte. Wie lange ich noch aktiv fahre, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist das meine letzte Saison, aber auch gut möglich, dass ich noch einige Jahre Rennen fahre. Ich habe Lust aufs Racing, nur Training zu fahren gibt mir nicht dasselbe an Adrenalin, Zweikämpfen und vielem mehr.“
Die wahren Helden des Motocross
Die Geschichten von Mark Scheu, Lukas Platt und Tim Koch zeigen, dass Motocross nicht nur ein Sport für Supertalente ist. Es ist ein Sport für Kämpfer, für Menschen mit unbändigem Willen und harter Arbeitseinstellung. Während die großen Stars oft im Rampenlicht stehen, sind es die „Working Class Heroes“, die den Sport ausmachen. Sie beweisen, dass man auch ohne Millionenverträge, aber mit viel Herzblut und Disziplin, seinen Traum leben kann.